Mehr Einsätze, höhere Ansprüche
Bad Reichenhall. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht aus Mühldorf am Inn hat während ihrer Sommertour die Bergwacht Bad Reichenhall besucht. „Die Helfer mit der Liebe zu den Bergen sind für mich Helden, die Wanderer, Kletterer oder Wintersportler aus luftiger Höhe retten“, sagte die Berichterstatterin zum Katastrophenschutz der liberalen Fraktion im Bundestagsinnenausschuss laut Presseaussendung.
Dr. Klaus Burger, Regionalleiter der Bergwacht Chiemgau, und Stefan Strecker, Leiter der Bergwacht Bad Reichenhall, gaben einen Einblick in die Arbeit der Bergretter. FDP-Kreisvorsitzender Arno Pichler aus Bayerisch Gmain sowie die Stellvertreter des Kreisverbandes, Susa Engeler aus Bad Reichenhall und Franz Farthofer aus Marktschellenberg, begleiteten die Abgeordnete bei ihrem Besuch.
Nach Artikel 17 des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes wird die Bergwacht für die Berg- und Höhlenrettung eingesetzt. Kernaufgaben sind weiterhin die Katastrophenhilfe und die Mitwirkung im Natur- und Umweltschutz. Die Bergwacht Reichenhall ist Teil der Bergwacht-Region Chiemgau, einer von sieben Regionen in Bayern, die sich von Schleching im Westen bis zur Landesgrenze zu Österreich im Osten und zum Alpenvorland nördlich der Autobahn 8 bis nach Berchtesgaden erstreckt.
15 Bergwachten mit rund 600 ehrenamtlichen, aktiven Bergrettern leisteten laut Regionalleiter Dr. Klaus Burger im vergangenen Jahr 1152 Einsätze. Die Tendenz sei steigend: Vor zehn Jahren wurden die Bergretter zu 887 Einsätzen gerufen. Auch die Zahlen der alpinen Luftrettung steigen kontinuierlich, so Burger.
46 Einsatzkräfte im aktiven DienstIm Einsatzbereich Saalachtal rückt die Bergwacht Bad Reichenhall laut Bereichsleiter Stefan Strecker jährlich zu rund 100 Einsätzen aus. Von den 76 Mitgliedern gehören 46 Einsatzkräfte zum aktiven Dienst. Geleitet werden die Teams von einer Einsatzleiterin und zehn Einsatzleitern. Dazu kommen Spezialisten wie zwei Hundeführer, fünf Canyonretter und ein Spezialist für den Kriseninterventionsdienst. Etwa 3500 Bergretterinnen und Bergretter sind nach Angaben des bayerischen Innenministeriums im Freistaat rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, in Bereitschaft und leisten jährlich rund 14500 Einsätze und Hilfeleistungen. Vor 100Jahren wurde die Organisation in München gegründet.
Die Bergretter sehen sich einer gestiegenen Erwartungs- und Anspruchshaltung gegenüber. Dabei nehme die gesunde Selbsteinschätzung der Bergtouristen tendenziell ab, wie Regionalleiter Dr. Klaus Burger und Bereichsleiter Stefan Strecker in der Praxis feststellen. Indizien seien die Zunahme von Notruf-Indikationen, die als sogenannte Blockierungen eingeschätzt werden. Bergtouristen folgten den digitalen Routen manchmal blindlings, ohne die Eignung für die alpine Welt zu besitzen. Zudem verführe der schnelle Griff zum Handy zu einer schnelleren Alarmierung.
Zu jeder Zeit und bei jedem WetterDie finanziellen Risiken einer Rettungsaktion werden bisweilen als minimal angesehen. „Der Notruf 112 erscheint in zunehmendem Maße als eine kalkulierte Kraftreserve der alpinen Selbstverwirklichung“, sagt Regionalleiter und Jurist Burger. Es werde erwartet, dass die Bergrettung als „selbstverständliche Dienstleistung zu jeder Zeit, in jedem Gelände und bei jedem Wetter“ kommt. Erstaunt war die Besuchergruppe über die hohen Anforderungen an die ehrenamtlichen Retter. Neben der Liebe zu den Bergen werde vorausgesetzt, dass angehende Kandidaten das Klettern und das Skifahren beherrschen. Die Ausbildung zur aktiven Einsatzkraft kann im besten Fall in etwa zwei Jahren durchlaufen werden. Interessenten werden laut Stefan Strecker im Sommer und Winter auf Eignung geprüft.
Im Sommer liege der Schwerpunkt auf dem Umgang und Klettern mit dem Seil, im Winter sind Skitechnik und Lawinenkunde gefragt. „Wenn Interessenten die Tests bestehen, beginnt die Ausbildung“, so Strecker. Jeder Anwärter lerne die Rettungsgeräte und die Zusammenarbeit im Team kennen. In der Grundausbildung werden auch Notfallmedizin und Luftrettung gelehrt. Der Naturschutz kommt ebenfalls nicht zu kurz. Ein bayernweites, und wie Burger bemerkt, „weltweit einmaliges“ Übungszentrum in Bad Tölz ermögliche das Training und die Simulation von schwierigen Situationen in der Flugrettung wie auch in der Seilbahnrettung. Sichtungen und Prüfungen erfolgen überörtlich durch das Ausbildungs- und Prüfungsteam der Bergwacht Chiemgau.
Die Finanzierung der Bergrettung steht laut Burger und Strecker auf drei Säulen. Ein Drittel wird über die Abrechnung der geleisteten Einsätze mit den Krankenkassen eingebracht, ein Drittel finanzieren Förderer und Spender und ein weiteres Drittel steuert der Freistaat bei. Bayern gibt laut Innenministerium im Doppelhaushalt 2020/21 rund 5,3 Millionen Euro für die Beschaffung von Fahrzeugen, Rettungsmittel und Funktechnik aus.