Sandra Bubendorfer-Licht

Bund und Länder sollen in Notfällen koordinierter helfen

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. FOTO: DPA

 

Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sonntags anregt, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern zu untersagen, spielen in Baden-Württemberg einen Tag später noch der VfB Stuttgart und Arminia Bielefeld vor 50.000 Zuschauern.

Niedersachsen ordnet erst die Schließung seiner Baumärkte für Privatleute an und macht dies später rückgängig, nachdem großzügigere Regelungen in Nordrhein-Westfalen und Bremen einen regelrechten Shopping-Tourismus ausgelöst haben.

Aus Sicht der FDP hat die Corona-Pandemie beim Katastrophenschutz große Schwachstellen und Koordinationsprobleme zwischen Bund und Ländern offenbart. Nach dem Ende der Pandemie sollte deshalb aus Sicht der Liberalen das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zu einer Zentralstelle zur Bewältigung schwerer Unglücksfälle und länderübergreifender Katastrophen ausgebaut werden.

Das Amt untersteht dem Bundesinnenministerium und ist bislang vor allem für den Zivilschutz zuständig - also für den Schutz der Bevölkerung in Kriegszeiten. Der Katastrophenschutz ist dagegen Ländersache.

Die FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser und Sandra Bubendorfer-Licht schlagen in einem gemeinsamen Positionspapier nun vor, der Bund solle eine „strategische Reserve“ an Ressourcen wie Material, Lebensmitteln und Medikamenten für 50.000 Menschen vorhalten, um seine Handlungsfähigkeit in derartigen Situationen zu gewährleisten.

„Erlasswildwuchs hat entscheidende Zeit gekostet“

Teil dieser Reserve sollte auch Material für den Betrieb ortsunabhängiger Betreuungseinrichtungen sein, in denen 15.000 Menschen für eine Dauer von drei Monaten untergebracht werden könnten. Vorrätig sein müssten ebenso Stromaggregate, Kraftstoff sowie Anlagen zur Aufbereitung von Trinkwasser.

Das Vorgehen von Bund und Ländern sei in den ersten Wochen der Corona-Pandemie „unkoordiniert“ gewesen, kritisieren die FDP-Bundestagsabgeordneten in ihrem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. In den vergangenen Wochen habe jedes Bundesland andere Versammlungsverbote erlassen. 

Dieser „Erlasswildwuchs ließ das Bewusstsein der Bevölkerung für den Ernst der Lage schwinden und hat entscheidende Zeit zur frühzeitigen Eindämmung der Pandemie gekostet“, heißt es in dem Positionspapier.

Das BBK hatte 2012 zwei Katastrophenszenarien durchgespielt. Das eine Szenario lautete „Extremes Schmelzhochwasser aus den Mittelgebirgen“. Das andere Szenario, an dem das Robert-Koch-Institut beteiligt war, hieß „Pandemie durch Virus Modi-SARS“. 

Es ähnelte der heutigen Coronakrise, allerdings nicht in allen Punkten. Beispielsweise wird bei diesem hypothetischen Coronavirus davon ausgegangen, dass fast alle Infizierten auch krank werden.

Das Pandemie-Szenario, das von mindestens 7,5 Millionen Toten als direkte Folge der Infektion in einem Zeitraum von drei Jahren ausging, wurde als Ereignis der „Kategorie C“ eingestuft. Das bedeutet: „bedingt wahrscheinlich - ein Ereignis, das statistisch in der Regel einmal in einem Zeitraum von 100 bis 1000 Jahren eintritt“.

Schlecht gerüstet für Katastrophenfälle?

Als das Bundesamt im März viele Nachfragen zu den Konsequenzen aus dieser Studie erhält, veröffentlicht es folgende Stellungnahme: „Der nationale Pandemieplan wurde in den letzten Jahren regelmäßig angepasst und auch nach Durchführung der Risikoanalyse 2012 weiter überarbeitet. Ob und welche Maßnahmen in den Ländern auf Grundlage der Risikoanalyse 2012 getroffen wurden, entzieht sich unserer Kenntnis.“

Aus Sicht von Strasser ist das ein Skandal. Dieser ist aus seiner Sicht nicht der Leitung des Amtes anzulasten, sondern der für bundesweite Katastrophenfälle schlecht gerüsteten Organisationsstruktur geschuldet. Er sagt: „Der föderale Flickenteppich bei den unterschiedlichen Regelungen zum Kontaktverbot und die teilweise unkoordinierte Beschaffung von Atemschutzmasken zeigen beispielhaft, dass das BBK beim Katastrophenschutz nicht länger nur als Zuschauer an der Seitenlinie stehen kann.“ Bund und Länder sollten sich nach der Pandemie in einer neuen Föderalismuskommission zusammenfinden, um die Zuständigkeiten neu zu regeln.

Das Bundesamt müsse ein Lagezentrum für Katastrophenfälle werden, fordert Bubendorfer-Licht. Denn im Ernstfall könne „fehlende Koordination tödlich sein“. (Anne-Beatrice Clasmann, dpa)